auf dem Kriegspfad - Karl May, Partisanen, Minen - 24/06/2010 19:44
Bei meiner Reise durch das ehemalige Jugoslawien sind mir einige Dinge aufgefallen, die ich für besonders berichtenswert erachte, jedoch nicht in einem allgemeinen touristischen Reisebericht untergehen sehen möchte.
Manches habe ich als gefährlich empfunden, vieles nicht richtig zuordnen oder verstehen können.
Da ich nicht mal ansatzweise eine der auf dem Balkan gebräuchlichen Sprachen spreche, war eine Kommunikation sehr erschwert. Natürlich ist die deutsche Sprache dort nicht gänzlich unbekannt, aber man muß schon ein bißchen Glück haben, jemanden zu begegnen, der früher vielleicht mal als „Gastarbeiter“ in Deutschland gelebt hat. In den Badeorten an der Küste und auf den Inseln tritt das Sprachproblem natürlich viel weniger in Erscheinung. Aber meine Frau und ich wollten ja genau keinen Badeurlaub.
Zuallererst ein wichtiger Hinweis: Ohne ein wenig Beschäftigung mit seiner Geschichte wird man dem Balkan nicht näher kommen. Ein grober Überblick über tausend Jahre Zwist und Krieg: http://www.fifoost.org/jugoslaw/land/geschichte.php
Und noch eine wichtige Vorbemerkung: Nach der Reise habe ich auch nicht ansatzweise das Gefühl, jetzt den Balkan besser verstehen zu können. Diesen Anspruch an einen „Reise-Erfolg“ muß man als Urlauber aber wohl auch nicht unbedingt haben – oder?
Jetzt aber zur eigentlichen Thematik dieses Threads:
Das Fotomotiv, welches mich und meine Frau während unserer Balkanreise im Spätsommer 2009 am meisten berührt hat, ist dieses hier:
Foto: ins Schwarze getroffen:![[Linked Image von img692.imageshack.us]](http://img692.imageshack.us/img692/6483/schildgro.jpg)
Ich kenne Schießübungen auf Verkehrsschilder von Reisen in verschiedenen Ländern. Zumeist an abgelegenen Stellen stehend sind die dort betroffenen Verkehrsschilder aber immer von einer Vielzahl von Einschüssen getroffen – niemals nur von einem einzigen genau plazierten Schuß.
In diesem Fall völlig anders! Dies ist nicht das Resultat einer Zielübung eines Waffen-Narren und auch kein Akt von unreflektiertem jugendlichem Vandalismus. Auch kein Ballern im besoffenen Kopp.
Es handelt sich vielmehr um eine glasklare, zielgerichtete Warnung. Eine recht frische Botschaft zumal, da ich auch bei genauerer Betrachtung der Einschußstelle noch keinerlei Korrosionsspuren feststellen konnte.
Die Straße, an dessen Rand dieses Schild steht, ist eine ganz normale, ordentliche Landstraße, der ich dann über etliche Kilometer noch ca. eine halbe Stunde gefolgt bin.
Foto: gefährliche Straße:![[Linked Image von img8.imageshack.us]](http://img8.imageshack.us/img8/5865/straemitschild.jpg)
Rechts und links gelegentlich ein Bauernhaus. Nicht ungepflegt auf den ersten Blick, manchmal sogar frisch-gekälkt erscheinend. Aber nirgendwo ein Anzeichen von Leben. Kein Mensch zu sehen. Nicht mal ein Auto vor dem Haus. Und auch keine Kuh, keine Schaf, kein Esel auf der Wiese – selbst ein Huhn: Fehlanzeige! Dafür das Gras aber ungemäht-hoch, zu hoch für mein Gefühl
.
Eine No-Go-Area, überwacht von Snipern? Nachts völlig unkalkulierbar, tagsüber aber problemlos passierbar ? Oder umgekehrt? Ich weiß es nicht, und niemand da, den man fragen könnte.
Wir fahren weiter – was bleibt uns übrig? Und trösten uns mit der Vorstellung, daß erstens nur Einheimische, zweitens nur Geschwister gemeint seien. Und drittens alles sowieso nur eine Fehlinterpretation unsererseits ist. (Sollte ich an dieser Stelle einen Smilie setzen – und wenn ja, welchen? Grübel)
Wir fühlen uns, jetzt am hellichten Tag, jedenfalls nicht unmittelbar bedroht, aber wie muß es den Einheimischen ergehen, wenn sie ihre Kinder zur Schule schicken? Aber es scheinen ja keine mehr da zu sein...
Ein paar Kilometer weiter kommen wir an einer schneeweißen Kirche vorbei. Das Gebäude ist offensichtlich instandgesetzt worden. Oder komplett wiederaufgebaut? Wir halten an und schauen uns eine große Gedenktafel an. Überwiegend alte Menschen, einige mehr als 80 Jahre alt, sind in dieser Gegend gestorben. Alle ausnahmslos 1992/93 – als der Bürgerkrieg hier wogte. Sind sie alle in ihren Häusern oder Gärten massakriert worden, weil sie sich nicht vertreiben lassen wollten?
Foto: Gedenktafel![[Linked Image von img156.imageshack.us]](http://img156.imageshack.us/img156/2206/grabstttealtemenschen.jpg)
Endlich, nach weiteren quälenden Kilometern, auf denen wir nur einem einzigen Auto begegnen, erreichen wir ein größeres Dorf bzw. eine kleine Kleinstadt. Viele Wohnhäuser auf einem Haufen, ein paar Geschäfte, eine Bank, mehrere Cafes: Auf die Schnelle sind keinerlei Spuren des Krieges zu sehen. Im Zentrum ein kleiner Park, auf dessen Bänken gelangweilt ein paar Alte sitzen. Jeder Schritt von uns wird argwöhnisch beäugt. Touristen kommen hier anscheinend nicht so häufig vor. Ich gehe zur Bank, um Geld am Automaten zu ziehen und wir verlassen den Ortsmittelpunkt wieder.
Ein Supermarkt am Ortsrand zieht uns magisch an.
Es handelt sich um einen futuristischen Neubau, genau wie der zugehörige Parkplatz eigentlich völlig überdimensioniert für den kleinen Ort. Natürlich vollklimatisiert und durchelektrifiziert. Mit einem Super-Sortiment an Haushaltswaren, Lebensmitteln und Getränken. Einheimische Spezialitäten genauso wie internationale Marken. Clean und alles einen Tick ... zu westlich.
Wir kaufen ein und erleben an der Kasse eine Überraschung. Als Deutsche erkannt, spricht uns die junge Kassiererin in makellosem Deutsch an. Ob wir Urlaub machen? (Ja, was sonst) Wie wir ihr Land finden? (Na, schön natürlich) Ob wir noch länger bleiben? (Nein, leider nur auf der Durchreise) Wir antworten zudem ehrlich, daß wir vieles nicht recht einordnen können und erkundigen uns unsererseits nach ihrer Herkunft. Da im Laden kaum Betrieb herrscht, kommt ansatzweise ein richtiges Gespräch zustande. Die Kassiererin erzählt uns, daß sie in Deutschland aufgewachsen ist. Deutschland sei „gut“, aber jetzt sei sie froh, doch in ihrer Heimat zu sein. Es sei alles in Ordnung. Sie fühle sich wohl und „endlich frei und sicher“. Auf meine Frage, was das menschenleere Umfeld ihrer neuen alten Heimat zu bedeuten habe, gibt es leider keine Antwort mehr. Kunden kommen zur Kasse. Die Kassiererin hat keine Zeit mehr. Wir können uns nur noch kurz verabschieden.
mfG
Rainer
Fortsetzung folgt.
Manches habe ich als gefährlich empfunden, vieles nicht richtig zuordnen oder verstehen können.
Da ich nicht mal ansatzweise eine der auf dem Balkan gebräuchlichen Sprachen spreche, war eine Kommunikation sehr erschwert. Natürlich ist die deutsche Sprache dort nicht gänzlich unbekannt, aber man muß schon ein bißchen Glück haben, jemanden zu begegnen, der früher vielleicht mal als „Gastarbeiter“ in Deutschland gelebt hat. In den Badeorten an der Küste und auf den Inseln tritt das Sprachproblem natürlich viel weniger in Erscheinung. Aber meine Frau und ich wollten ja genau keinen Badeurlaub.
Zuallererst ein wichtiger Hinweis: Ohne ein wenig Beschäftigung mit seiner Geschichte wird man dem Balkan nicht näher kommen. Ein grober Überblick über tausend Jahre Zwist und Krieg: http:/
Und noch eine wichtige Vorbemerkung: Nach der Reise habe ich auch nicht ansatzweise das Gefühl, jetzt den Balkan besser verstehen zu können. Diesen Anspruch an einen „Reise-Erfolg“ muß man als Urlauber aber wohl auch nicht unbedingt haben – oder?
Jetzt aber zur eigentlichen Thematik dieses Threads:
Das Fotomotiv, welches mich und meine Frau während unserer Balkanreise im Spätsommer 2009 am meisten berührt hat, ist dieses hier:
Foto: ins Schwarze getroffen:
![[Linked Image von img692.imageshack.us]](http://img692.imageshack.us/img692/6483/schildgro.jpg)
Ich kenne Schießübungen auf Verkehrsschilder von Reisen in verschiedenen Ländern. Zumeist an abgelegenen Stellen stehend sind die dort betroffenen Verkehrsschilder aber immer von einer Vielzahl von Einschüssen getroffen – niemals nur von einem einzigen genau plazierten Schuß.
In diesem Fall völlig anders! Dies ist nicht das Resultat einer Zielübung eines Waffen-Narren und auch kein Akt von unreflektiertem jugendlichem Vandalismus. Auch kein Ballern im besoffenen Kopp.
Es handelt sich vielmehr um eine glasklare, zielgerichtete Warnung. Eine recht frische Botschaft zumal, da ich auch bei genauerer Betrachtung der Einschußstelle noch keinerlei Korrosionsspuren feststellen konnte.
Die Straße, an dessen Rand dieses Schild steht, ist eine ganz normale, ordentliche Landstraße, der ich dann über etliche Kilometer noch ca. eine halbe Stunde gefolgt bin.
Foto: gefährliche Straße:
![[Linked Image von img8.imageshack.us]](http://img8.imageshack.us/img8/5865/straemitschild.jpg)
Rechts und links gelegentlich ein Bauernhaus. Nicht ungepflegt auf den ersten Blick, manchmal sogar frisch-gekälkt erscheinend. Aber nirgendwo ein Anzeichen von Leben. Kein Mensch zu sehen. Nicht mal ein Auto vor dem Haus. Und auch keine Kuh, keine Schaf, kein Esel auf der Wiese – selbst ein Huhn: Fehlanzeige! Dafür das Gras aber ungemäht-hoch, zu hoch für mein Gefühl
.
Eine No-Go-Area, überwacht von Snipern? Nachts völlig unkalkulierbar, tagsüber aber problemlos passierbar ? Oder umgekehrt? Ich weiß es nicht, und niemand da, den man fragen könnte.
Wir fahren weiter – was bleibt uns übrig? Und trösten uns mit der Vorstellung, daß erstens nur Einheimische, zweitens nur Geschwister gemeint seien. Und drittens alles sowieso nur eine Fehlinterpretation unsererseits ist. (Sollte ich an dieser Stelle einen Smilie setzen – und wenn ja, welchen? Grübel)
Wir fühlen uns, jetzt am hellichten Tag, jedenfalls nicht unmittelbar bedroht, aber wie muß es den Einheimischen ergehen, wenn sie ihre Kinder zur Schule schicken? Aber es scheinen ja keine mehr da zu sein...
Ein paar Kilometer weiter kommen wir an einer schneeweißen Kirche vorbei. Das Gebäude ist offensichtlich instandgesetzt worden. Oder komplett wiederaufgebaut? Wir halten an und schauen uns eine große Gedenktafel an. Überwiegend alte Menschen, einige mehr als 80 Jahre alt, sind in dieser Gegend gestorben. Alle ausnahmslos 1992/93 – als der Bürgerkrieg hier wogte. Sind sie alle in ihren Häusern oder Gärten massakriert worden, weil sie sich nicht vertreiben lassen wollten?
Foto: Gedenktafel
![[Linked Image von img156.imageshack.us]](http://img156.imageshack.us/img156/2206/grabstttealtemenschen.jpg)
Endlich, nach weiteren quälenden Kilometern, auf denen wir nur einem einzigen Auto begegnen, erreichen wir ein größeres Dorf bzw. eine kleine Kleinstadt. Viele Wohnhäuser auf einem Haufen, ein paar Geschäfte, eine Bank, mehrere Cafes: Auf die Schnelle sind keinerlei Spuren des Krieges zu sehen. Im Zentrum ein kleiner Park, auf dessen Bänken gelangweilt ein paar Alte sitzen. Jeder Schritt von uns wird argwöhnisch beäugt. Touristen kommen hier anscheinend nicht so häufig vor. Ich gehe zur Bank, um Geld am Automaten zu ziehen und wir verlassen den Ortsmittelpunkt wieder.
Ein Supermarkt am Ortsrand zieht uns magisch an.
Es handelt sich um einen futuristischen Neubau, genau wie der zugehörige Parkplatz eigentlich völlig überdimensioniert für den kleinen Ort. Natürlich vollklimatisiert und durchelektrifiziert. Mit einem Super-Sortiment an Haushaltswaren, Lebensmitteln und Getränken. Einheimische Spezialitäten genauso wie internationale Marken. Clean und alles einen Tick ... zu westlich.
Wir kaufen ein und erleben an der Kasse eine Überraschung. Als Deutsche erkannt, spricht uns die junge Kassiererin in makellosem Deutsch an. Ob wir Urlaub machen? (Ja, was sonst) Wie wir ihr Land finden? (Na, schön natürlich) Ob wir noch länger bleiben? (Nein, leider nur auf der Durchreise) Wir antworten zudem ehrlich, daß wir vieles nicht recht einordnen können und erkundigen uns unsererseits nach ihrer Herkunft. Da im Laden kaum Betrieb herrscht, kommt ansatzweise ein richtiges Gespräch zustande. Die Kassiererin erzählt uns, daß sie in Deutschland aufgewachsen ist. Deutschland sei „gut“, aber jetzt sei sie froh, doch in ihrer Heimat zu sein. Es sei alles in Ordnung. Sie fühle sich wohl und „endlich frei und sicher“. Auf meine Frage, was das menschenleere Umfeld ihrer neuen alten Heimat zu bedeuten habe, gibt es leider keine Antwort mehr. Kunden kommen zur Kasse. Die Kassiererin hat keine Zeit mehr. Wir können uns nur noch kurz verabschieden.
mfG
Rainer
Fortsetzung folgt.