Ganz zweifellos hat sich die Unsicherheit dort inzwischen erhoeht. RIM, Mali und Algerien sind ein zusammenhaengendes Operationgebiet geworden, wobei den algerischen Grenzgebieten eine Schluesselrolle zukommt. Die Gruende dafuer sind so vielschichtig, dass sie sich nicht in einem umfassenden Ueberblick darstellen lassen, sondern hier nur in Schlagzeilen: innenpolitische Instabilitaet, Schmuggel, ganz ordinaeres Banditentum und ideologisch aktivierter Terror!
Ich hatte anderswo dazu ein paar AlQuaida betreffende Saetze hinterlegt (
), die ich hier mal reinstelle:
ALQuaida ist inzwischen ein Ueberbegriff fuer islamistisch propagierten Terror ueberhaupt: nahezu ein politisch/mediumguenstig verwertbares Produkt.
Wie sieht es aber heute mit der tatsaechlich operationellen Wirksamkeit der Bewegung aus (ungeachtet ihres anhaltenden propagandistischen Erfolges)?
Fast alle mir bekannten Terrorismusforscher sind der Ueberzeugung, dass die Bewegung in den letzten 5-6 Jahren erheblich an "Schlagkraft" eingebuesst hat - was aber nun nicht zum fatalen Schluss fuehren sollte, die Gefahr sei grundsaetzlich beseitigt! Dazu gehoert auch zunehmender ideologischer Zweifel nahe der "Zentrale" (die es so ohnehin nicht mehr gibt) an der Wirksamkeit der bisherigen Strategie (siehe z.B. Morde an Zivilisten/Geiselnahme).
Fuer diese Einschaetzung sprechen einige Realitaeten: die einzelnen "Zellen" operieren offenbar in ausgepraegter Autonomie; ihre Bindung an Bin L. ist eher propagandistisch, als faktisch. Etlichen der (Bin L. zugeschriebenen) direkten Drohungen - mit Terminangaben - blieben folgenlos.
Die im Maghreb (und besonders in Algerien propagierte) durchgefuehrte Vereinigung mit den bekannten, schon vorher bestehenden, Terrorgruppen ist eher als taktischer Zusammenschluss geschwaechter Gruppen zu verstehen. Das Geisel-Business beunruhigt (voellig zu Recht!) zwar Touristen, ist aber ein eklatanter Abgesang an den urspruenglich propagierten ideologischen Kampf gegen westliche Werte und Macht!
Damit wird nicht nur ein akuter Geldmangel dokumentiert, sondern auch - fuer alle sichtbar - ein Abrutschen in gewoehnliche Wegelagerer-Kriminalitaet. So steht diese Bewegung nun in einer Linie mit anderen Terrorformationen - z.B. FARC, die ja auch mal ideologisch (marxistisch) antraten und laengst jede politisch definierbare Basis verlassen haben.
Es trifft uebrigens nicht zu, dass im Maghreb gezielt Angehoerige bestimmter europaeischer Staaten zu Geiseln werden - gefaehrdet ist jeder Europaeer!
Zu einigen der Aesserungen ueber Algerien: Dieses Land war nach der Unabhaengigkeit IMMER ausschliesslich vom Militaer beherrscht. (Mohamed Boudiaf, der es als Praesident waehrend des Buergerkrieges aendern wollte, hat diesen Versuch mit dem Leben bezahlt.)
Die Niederschlagung politischer Bewegungen betraf nicht nur die (islamistische) FIS, sondern auch zahlreiche andere Formationen und Berufsgruppen (siehe FFS des Hocine Aït Ahmed, der zu den letzten lebenden Fuehrern des Unabhaengigkeitskrieges gehoert). Seiner kuerzlichen Kritik am algerischen System kann man ungeschminkte Klarheit bestaetigen: " Les autres risques encourus par le pays et non plus par le seul régime : déroute politique, économique et morale qui découlent des choix désastreux opérés par une oligarchie militaro-marchande déterminée à spolier le peuple algérien de ses droits et de ses richesses, ces risques-là, Bouteflika et ceux qui l’ont adoubé aux commandes du pays ne les voient pas. Plus grave, ils s’en accommodent."
Seit einigen Monaten ist im Land - nicht zuletzt wegen der andauernden Unfaehigkeit der Regierung, trotz erstaunlicher Staatseinnahmen, dem Volk eine lebenswerte Perspektive zu ermoeglichen - ein bedeutenden Strukturwandel zu bemerken: Algerien ist bekannterweise kein arabisches Land, sondern ein von Arabern vor Jahrhunderten erobertes Siedlungsgebiet der Berber. Zahlreiche Spitzenpolitiker waren und sind Berber. Trotzdem hatten die verschiedenen Berberstaemme lange Jahre kein Recht auf ihre eigenen Berbersprachen! Durch diese Unterdrueckung hoffte die Regierung, endlich eine nationale Einheit zu erreichen: das Gegenteil war der Fall! Nationale Identitaet war und ist ohne die Kultur der ca.10 Mill. Berber nicht herzustellen. "L'amazighité" (Berbertum, Sprache) ist nun inzwischen ein offiziell anerkannter Bestandteil der algerischen Identitaet.
Das koennte in mittlerer Frist den erhofften Einfluss auf Nationbuilding - und damit innere Sicherheit - haben, da damit einigen Terrorgruppen bereits jetzt die ohnehin seltenere Unterstuetzung von Bevoelkerungsteilen in schwer zugaenglichen Regionen entzogen wurde!