Lieber Hardy,

jetzt gebe ich auch noch meinen Senf dazu: Ich weiß noch, wie ich mit unserem Nissan Terrano am ersten Offroad-Fahrkurs teilgenommen habe: Als unser Guide uns zum ersten Mal in seinem Fahrzeug mitgenommen und uns die Rundstrecke (Jänschwalde) gezeigt hat, dachte ich: niemals. keine Chance. nicht mit mir und meinem neuen Auto.

Dasselbe erlebte ich hunderte Male als Schilehrer: Der erste Tag mit blutigen Anfängern, man zeigt auf einen Berg und sagt: In fünf Tagen fahrt Ihr da runter. Dieselbe Reaktion wie oben. Fünf Tage später meine Frage: Na? Was sagt Ihr jetzt?

Ich rate ganz, ganz dringend davon ab, Dir die Sache nur vom Campingplatz aus anzuschauen. Du wirst vielleicht nie wieder eine von den Fahrzeugen her so homogene Gruppe bekommen, und einige Mitglieder hier können Dir gut erzählen, welche gruppendynamische Probleme zustande kommen, wenn man auf weiter Flur das schwerste und größte Fahrzeug in einer Gruppe von vergleichsweise leichten und kompakten Geländeautos hat. Da lernst Du garantiert nichts, denn deren Herangehensweise an das Gelände ist eine völlig andere. Ich musste mich auch - trotz Geländeerfahrung - sehr auf den Bremach umstellen. Es macht eben einen himmelweiten Unterschied, ob man mit Alubox und Zeltsack reist, oder mit einer kompletten Einzimmerwohnung.

Unsere Fahrzeuge sind so konzipiert, dass wir mit geringen Einschränkungen überall dort hinkommen, wo auch die "Kleinen" hin fahren; nur unser Weg und die Fahrweise ist anders. Die lernst Du aber nur zusammen mit einem Rudel gleichartiger Reisemobile.

Und noch etwas: Ich habe auch länger mit Steffen telefoniert, und habe den festen Eindruck davon gewonnen, worum es ihm geht: Zuallererst um das Erleben einer einmaligen Landschaft, das Er"fahren" mit dem eigenen Wagen. Es geht hier nicht um den - pardon - Schwanzvergleich zwischen Alpharüden, wer das stärkere Auto hat, den steileren Hang raufkommt, oder noch wagemutiger den Hang quert. Er weiß sehr genau, dass "reisen mit dem Mobil" komplett anders ist als das motorsportliche Geländefahren in der Schottergrube. Wir haben unsere Fahrzeuge, um dort zu reisen, wo wir wollen, und nicht, um möglichst spektakuläre und gefährliche Geländepassagen zu fahren; für letzteres kauf Dir einen Wrangler ...

Das Gefühl dafür was geht, und wie es geht, bekommst Du aber nur, wenn Du übst; und das gilt ganz besonders auch für Deine Frau. Bei solchen aktiven Reisen ist man ein Team. Es könnte ja sein, dass Du mal wegen Krankheit ausfällst, da muss Deine Frau ebenso routiniert beim Fahren sein wie Du. Und außerdem: die beste Methode, allfällige Kreischkonzerte zu vermeiden ist immer noch, die bessere Hälfte selbst fahren zu lassen. Mit zunehmender Übung macht es ihr genauso viel Spaß, und wenn sie erst ein Gefühl dafür entwickelt hat, wie das Fahren mit Eurem Auto im Gelände geht, ist sie auch als Beifahrerin wesentlich entspannter.

Noch eine Bemerkung zu "neues Fahrzeug": Ich nehme an, Du hast Dir Deinen Scam nicht zugelegt, weil er cool aussieht, sondern um dort zu reisen, wohin die Herdenmasse nicht reist. Das bedingt auch, in der Natur unterwegs zu sein, wo sie noch nicht mit Beton und Baumaschinen dieser Masse angepasst worden ist. Da haben gewisse Bäume und Äste eben ältere Rechte, und man muss diese respektieren, bzw. darf sich nicht darüber aufregen, wenn die Äste des vielhundertjährigen Olivenbaumes quietschend am Alkoven entlang schrammen. Derartige Kratzer sind in Ehren erworben und werden mit gewissem Stolz getragen; anders als die Delle, die ein rücksichtsloser Parkplatznachbar vor dem Supermarkt verursacht. Natürlich kann nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden, dass es bei der Ausfahrt in der Lausitz zu Blessuren an den Fahrzeugen kommt. Deren Wahrscheinlichkeit hängt aber in erster Linie von der Aggressivität der Fahrweise ab. Der Boden ist dort weitgehend sandig und damit nachgiebig, viel besser als die Steinwüsten vieler Fahrgelände.

Jedenfalls würde ich mich sehr freuen, Euch in der Lausitz kennenzulernen.

Liebe Grüße,
Marcus


Und wieder ein Post mehr auf dem Zähler!