Sorry, da habt Ihr geglaubt, Ihr könntet ohne mich zanken. Issnich. Also - kurz bevor der Schlüssel rumgedreht wird

:
Was noch gar nicht benannt ist, ist, daß die Entscheidung pro oder contra Guttemberg oder der allermeisten anderen Delinquenten eine des Bauches ist. Ich bin sicher, daß "wir" und die Leute zu 97% aus Sympathie oder Antipathie entscheiden. Die Gründe, die man vorbringt, sind augenscheinlich logisch und vertretbar. Und in beide Richtungen auch richtig, wie ich finde. Das ist ´ne Entscheidung der Ethik, bzw. müsste darüber diskutiert werden. Lohnen würde sich das. Denn die Prozesse sind immer dieselben. Die Namen und Parteien kann man beliebig hin- und hertauschen.
Und ich halte das Medieninteresse für ausschlaggebend. Dadurch daß man gar nicht umhin kann, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, werden wir dazu gezwungen, eine "Bauchentscheidung" zu treffen. Wäre das gesamte Medienecho nur ein 5-Zeiler im Randstreifen der Zeitung, niemand würde sich kratzen. Und .. in 1/4Jahr ist sowieso das nächste da, was die ersten Seiten füllt.
Problematisch, in zweierlei Hinsicht (einmal gut, einmal schlecht), ist die politische Kultur, Leute die besser sind mal bequemerweise schlechter zu machen - anstatt sich selbst zu bessern. Das sind Spiele, die sich auf dem geringsten gemeinsamen Nenner wiederfinden. Es ginge besser. Das ist nicht nur in D so, sondern auch in unserem Vorbildland Nr.1 - wobei das nicht gegen das Land dort spricht, sondern nur gegen einige wenige Leute die dort wohnen. So richtig ehrenvoll und vorbildlich ist es nun auch wieder nicht also, nach Dreck am Stecken anderer Leute zu suchen. Auf der anderen Seite ... was wäre die Alternative ? Daß man schummeln kann und keine befleißt sich, da mal was aufzudecken. Auch nicht toll. Es wird also so bleiben, wie es ist.
Bei all´ der Aufregung: wieviel besser sind eigentlich die Leute, die auch Bockmist gemacht haben, aber gar nicht nie nicht mal entdeckt werden ? Sind die vorbildlicher ?
Naja, und wir als Wähler haben sogar noch andere Sachen geschluckt, wie Innenminister die Datenschutz aushebeln und das bei nicht eindeutig fraglicher Vergangenheit. Namen sind hier egal. Es geht nicht um die konkreten Beispiele, sondern um Prozesse.
Und .. was wollen wir Politiker als Vorbilder führen ? So wie ein Leserbrief der Lokalzeitung meint, daß die in ihrer Sonderrolle im Fokus stehen und sich besonders gut benehmen müssten. Das funktioniert leider nicht. Es führt dazu, daß ich als "Normalo" mal schnell mit 4 Bier vom Nachbarn nachhause fahren darf, aber eine Käßmann nicht. Die Sonderrolle hier also, die die Politiker aufgedrückt bekommen haben führt nämlich dazu, daß die sich auch Dinge zugestehen, die sie uns Normalos nicht machen lassen. Sowas wie sich Schmieren lassen, oder Gelder am Fiskus vorbeischummeln, etc.
Die Lösung ist - jeder muß sich als Vorbild verstehen. Und nicht erst dann, wenn er Politiker wurde. Das müßte einfach selbstverständlich sein. Und das ist .. ein Wunschdenken. Also auch hier bleibt´s wie´s ist.
Und ansonsten auch. Wie wollen wir mit Leuten umgehen, die klar falsche Dinge taten, aber sich läuterten? Bin ich als Elterntier völlig ok, wenn ich die Lehrerin weghaben will, weil eine ehemals radikal-oppositionelle Aktivität bekannt wurde - für die sie rechtskräftig gebüßt hat. Daß man da als Elter not amused ist, ist klar. Aber wie soll die Beschuldigte sich fühlen, wenn sie wirklich anders denkt ? Es ist also ganz schön schwer. Und da wirklich sachlich-logisch richtig zu entscheiden für uns gar nicht möglich, würde ich sagen. > Ein Grund mehr, bei den Bauchentscheidungen zu bleiben.
Und was das Zitat mit dem Steine-werfen aus der Bibel angeht. Wer das mal attackiert - sowas ist erlaubt, keine Frage - der erkläre mir mal gleich mit wie man es als lauter und redlich hinstellt, mit zweierlei Maß zu messen. Das genau wäre der Umkehrschluß; naja, daß genau das geschieht, ist Realität. Nichtsdestotrotz ist es doch eher nicht das oberste moralische Ziel, woll ? Weisheiten der Bibel wie die genannte dienen dazu, die Menschen auf ein besseres zwischenmenschliches Zusammenleben zu orientieren. Die Menschen heute wie damals ticken nämlich gleich. Wie ein Philsoph gestern sagte: "Die Welt ist nicht schlechter geworden. Die war schon immer so." Und da hat er Recht. Derjenige, der in der Bible am meisten zitiert wird, würde heute vermutlich die Berufsbezeichnung "Psychologie" tragen.