Original geschrieben von Maschtuff
Ohne jetzt hier tief in die Kulturgeschichte einsteigen zu wollen: eine Krawatte ist zwar - auch - ein Modeartikel, hat aber (wie ich es sehe) eine sehr weit zurueckreichende Bedeutung. Die Bezuege zum maennlichen Sexualorgan sind z.B. weitgehend bekannt. Nicht umsonst treten beim Karneval in D Scheren in Aktion, um nachdruecklich die - vermutete (!) - maennliche Dominanz zu kuerzen. In Umbruchzeiten (z.B. zwischen den Weltkriegen) kuendigten muntere Frauen mit Bubikopf durch Krawatten diesen buergerlich fixierten Dominanzvertrag.
Selbst bei "Naturvoelkern" kann man heute noch am Halsschmuck tradierte geschlechtliche Unterschiede sehen, die nicht selten mit Tabu's verbunden sind.

Als aktuelles Gegenstueck koennte man (nicht erst seit Schiller smile ) den grossen offenen Kragen betrachten. Viel kommentiertes Beispiel in F: BHL, bei dem dieser Modehokuspokus inzwischen philosophisch Nennenswertes ersetzen muss!

Offen getragenes Haar am Tisch ist - nach der laengst vergangenen Hippie-Zeit - wohl doch wieder ein weibliches (sic!) Privileg. Hat sicher nichts mit Anstand, oder dem Gegenteil, zu tun.


Das ist alles richtig und war mir auch bekannt. Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus. Warum ist der Kerl mit Ständer am Hals gesellschaftsfähig, schick und unumstritten, wogegen man dem Jüngling seinen Strickhut nicht durchgehen lassen möchte und es als unhöflich ansieht, wenn er ihn im Haus trägt? Weil es mal so festgelegt wurde, daß am Tisch keine Mütze getragen wird?

Wie klein, eingeschränkt und egozentrisch muß meine Weltanschauung denn sein, wenn ich mir selbst das Recht auf Indiviualität gönne, es anderen aber nicht zugestehe? Das überrascht mich gerade in einem Kreis von Individualisten, als die sich Geländewagenfahrer so gerne sehen. Wir fahren andere, individuell umgebaute Fahrzeuge, schlafen gerne abseits und alleine im Einklang mit der Natur statt im Robinson Club, bereisen die Welt, lassen uns die buntesten Bilder auf die Haut stechen, schieben ganze Pipelines durchs Ohrläppchen, aber erwarten, daß der Gegenüber gefälligst den Hut vom Kopf nimmt und nicht dämlich aussieht.
Da stimmt doch die Formel nicht.



Haltung lässt sich leichter bewahren als wiedergewinnen.