Hmm, also ich habe "früher in meiner Jugend" 4 Jahre unter einem Reetdach gewohnt. In dem Fall ein altes, eingeschoßiges Gebäude, Fachwerk mit Ziegel, Dachgeschoss war Heuboden , also nicht ausgebaut.
Meine Mutter hat dort noch weitere ca. 10 Jahre gewohnt, danach ca. 12 Jahre ein ebenfalls altes Reetdachhaus ihr Eigen genannt. Da war dann auch das ganze Dachgeschoß sauber ausgebaut.
Insofern habe ich schon viel Zeit in solchen Häusern verbracht.
So ein Reetdach ist wirklich "ganz anders", in vielen Punkten.
Isolierung war damit sehr gut! Im Sommer nicht zu heiss, im Winter nicht zu kalt. Mal abgesehen vom klimatischen Effekt finde ich so ein Reetdach einfach schön, aber nur, wenn auch das Haus darunter dazu passt. Ist leider nicht immer der Fall, es gibt da genügend abschreckende Beispiele, grade bei Neubauten!
Konstruktion sind relativ enge Sparren und darauf auch recht eng befestigte runde Querstangen, an denen die Reetbündel mit Draht "verzurrt" werden. Dazu stehen die Dachdecker auf Brettern mit einem langen Dorn, der ins Reet gesteckt wird und fädeln den Draht mit langen Ahlen um die Balken herum. Dann wird alles schon schräg geklopft. (@Peter: korrigier mich wenn das zu laienhaft ausgedrückt war...)
Man muß auch wissen daß das Regenwasser bei so einem Dach überall heruntertropft, Dachrinne ist da normalerweise nicht dran. Bei den alten Häusern ist deshalb meist ein breiter Kiesstreifen ums Haus herum geschüttet.
Und:
- So ein Dach braucht auf jeden Fall besondere Aufmerksamkeit
- Das Ganze ist recht teuer, gute Reetdachdecker gibt es aber in Nordeutschland noch Einige. Meistens ist aber nur die Erstdeckung komplett , danach wird eigentlich nur erneuert, was fällig ist und das ist je nach Wetterausrichtung verschieden. Die Folgekosten verteilen sich also.
- Die Wetterseiten sind schneller hin, die Reetdeckung nutzt sich quasi von außen ab und das Dach wird immer dünner.
Im Ernstfall kann da dann schonmal eine Sturmböe reinfahren und, je nach Konstruktion-, schnell zunehmenden Schaden anrichten, was uns an einem Weihnachtstag mal passiert ist. Zunächst war es nur ein kleines Loch, am Abend dann ein guter qm , den es weggeweht hatte. Man sollte also Reparaturen rechtzeitig machen lassen.
- Die Reetdecker sprachen davon dass eine Deckung im Schnitt ca. 30 Jahre hält.
- Die Brandschutzversicherung ist nicht niedrig, denn wenn das mal brennt, dann richtig,- das ist wie Zunder.
Deshalb sind im manchen Gemeinden mit vielen Reetdächern auch Feuerwerke und offenes Feuer streng verboten!
Das sollte man evntl. bei einem Neubau beachten. Wäre doch schade wenn der Nachbar mit seinen Böllern das Haus abfackelt, weil es eben kein Feuerwerksverbot gibt....
- Tiere IM Dach hatten wir kaum, davon abgesehen hatten wir Katzen, die die Mäuse in Schach hielten. Siebenschläfer, Marder o.Ä. gibt es unter anderen Dächern aber auch,- das ist sicher nichts Reet-Spezifisches.
- Ein Dachgeschoß ausbauen ist in der Regel sehr aufwendig, und die zukünftigen Dachdecker müssen aufpassen, dass sie mit ihren Ahlen nicht die Innenverkleidung durchstechen,- da ist der Schaden schnell sehr groß (-hatten wir auch mal).
- Isoliert war beim Haus meiner Mutter nicht zusätzlich.
Wie das bei einem Neubau mit den Wärmeschutzverordnungen zusammenpasst weiß ich nicht,- ich fand das Klima aber immer extrem angenehm in den Häusern.
- Man sieht auch häufiger die Notlösung: ein Blechdach und darauf 10cm Reet für die Optik. Finde ich persönlich scheußlich, nicht Fisch und nicht Fleisch.
- Kunstreet habe ich schon erstaunlich echt aussehend gesehen, aber ich würds mir trotzdem nicht aufs Dach binden.....
- ich glaube "rechnen" tut sich so ein Dach nicht, da gibt es billigeres. Es ist einfach anders. Eher so eine Entscheidung aus Unvernunft, so wie wenn man einen Defender kauft, der ja nicht schlecht ist, aber auch nicht wirklich zeitgemäß
Da war jetzt sicher einiges drin was du schon weißt, aber eben auch eigene Erfahrungen....
Gruß, Billa
P.S. hab grad nochmal die Links durchgeschaut.
So extemen Moosbefall wie auf manchen Bildern hatten wir beim ersten Haus über die ganzen Jahre nicht, was vielleicht mit der steileren Dachneigung und dem unverbauten Dachgeschoß zu tun hatte.
Beim zweiten Haus war das schon deutlich schwieriger, mehr Moos und auch sichtbar schnellere Verrottung des Reets!
Allerding: wer baut noch ein Haus in dem er das Dachgeschoß nicht nutzen darf, weil sonst sein Dach vermodert?
Schonmal über ein Grasdach nachgedacht? In Norwegen haben wir jede Menge Neubauten, sogar große Hotels, Tankstellen und Supermärkte gesehen, die mit Grasdächern gedeckt waren. Das scheint also auch zu funktionieren , auch unter extremeren Klimaverhältnissen.