Rallye Dakar: „Ein Sieg für den Terrorismus“
04.01.2008 | 18:12 | MICHAEL KÖTTRITSCH (Die Presse)

Ausgerechnet die 30. Auflage der Wüstenrallye endet, bevor sie gestartet wird. Wegen Terrorwarnungen wird das Event zum ersten Mal in der Geschichte aufgegeben.

LISSABON. Im mit 1500 Teilnehmern und Teamverantwortlichen voll gefüllten Auditorium des Kulturzentrums in Belém herrschte Totenstille, als Etienne Lavigne sein Statement einleitete. Der Organisator der Rallye Dakar sprach von „einer schrecklichen Nachricht für alle“: „Die Rallye Dakar 2008 ist abgesagt.“ Eine Empfehlung der französischen Regierung habe letztlich den Ausschlag gegeben. Die Administration in Paris bezog sich in ihrem Appell an die „raison d'etat“ auf die Ermordung von französischen Touristen am 24. Dezember und Drohungen der al-Qaida, Anschläge auf den Tross in Mauretanien zu verüben. Für die Veranstalterorganisation ASO sei die Sicherheit der Teilnehmer vorrangig, sagte er. „Die Dakar ist ein Symbol, das durch nichts zerstört werden könne“, schloss Lavigne.



Umfahrung sinnlos
Bei der Pressekonferenz wenig später, in einem Saal mit Blick auf den bunten Parc Ferme, gefüllt mit Motorrädern, Automobilen, Lkw, gestand er ein, dass der Schritt „ein Sieg für den internationalen Terrorismus“ sei. Doch die Entscheidung stehe fest und werde auch vom ASO-Präsidenten Patrice Clerc mitgetragen.

Dass die Entscheidung, die Rallye keine 24 Stunden vor ihrem Start im wenige Kilometer westlich von Lissabons Zentrum gelegenen Belém abzublasen relativ kurzfristig gefallen sei, begründete Lavigne damit, dass die Terrorwarnung der französischen Regierung eben erst Donnerstagabend ergangen sei: „Wir waren überrascht und sind zutiefst enttäuscht. Aber wir sind eine französische Organisation und halten uns an diese Empfehlung.“

Schon in früheren Jahren habe es Terrordrohungen gegeben, einmal musste die Karawane sogar ausgeflogen werden. Abgesagt war die Veranstaltung damals aber nicht geworden.

Alternativen zur Absage habe man wohl überlegt, aber verworfen: Mauretanien zu umfahren sei nicht in Frage gekommen, weil sich die französische Warnung auf ganz Afrika bezogen habe. Ebenso habe man die Rallye nicht verkürzen wollen: „Wenn wir etwas organisieren, dann ordentlich. Wir veranstalten keine Fiaskos.“

Die Bekanntgabe der Absage selbst schien penibel vorbereitet: professionell, kurz, bestimmt. Die ASO, die unter anderem die Tour de France ausrichtet, scheint mit Events, die auf der Kippe stehen, vertraut zu sein. Durch die Doping-Skandale war die Frankreich-Radrundfahrt mehrmals vor dem Abbruch gestanden.


2010 Start in Budapest?
Dennoch dachte Lavigne bereits an die Zukunft. Bis 15. Februar solle die Dakar 2008 rückabgewickelt sein, 2009 werde es „ein großes Ereignis geben.“ Aber, schränkte er ein, es müsse ja nicht in Afrika stattfinden. Schon vor der Absage war durchgedrungen, die Rallye könnte ab 2010 in Budapest starten.

Zurück bleiben enttäuschte Sponsoren wie Klebstoff-Technologie-Konzern Loctite, Ölmulti Total oder Glückspielanbieter Euromilhoes. Und eine Menge juristischer Fragen, ob und welche Gelder zurückzuzahlen sind. Aber auch die Existenz vieler Teams steht auf dem Spiel, denn viele Sponsorverträge greifen erst dann, wenn das Fahrzeug die Startlinie überquert hat.

Für Österreichs einzigen Starter in der Automobil-Klasse, Raphael Sperrer, ist die Entwicklung „eine ganz schwere Enttäuschung“. Immerhin hatte der 42-jährige Oberösterreicher für seine Teilnahme ein Budget von 300.000 Euro auf die Beine gestellt hatte. „Und versichern kannst du dich gegen so etwas nicht.“ Er wisse noch nicht welche Auswirkungen die Absage auf ihn und seine Zukunft habe. „Das einzige, was ich weiß, ist, dass mein Flieger in die Heimat am Samstag geht.“